Foreign Minister Elmar Mammadyarov's interview to "Die Welt" newspaper
Welt Online: Herr Minister, mögen Sie Popmusik?
Elmar Mammadyarov: Ja, das tue ich. Deshalb bin ich sehr froh und stolz, dass Aserbaidschan den Eurovision Song Contest voriges Jahr gewonnen hat und Baku im Mai nun Gastgeber sein wird.
Welt Online: Was bedeutet dieser mit großer internationaler Aufmerksamkeit verbundene ESC für Ihr Land?
Mammadyarov: Zunächst einmal eine Ehre. Das ist ein einzigartiger Wettbewerb, der alle europäischen Nationen in einer Sprache sprechen lässt: der Musik. Für Aserbaidschan bedeutet er die Chance, die Menschen in Europa und dem Rest der Welt mit unserer reichen Geschichte, Kultur und den seit der Unabhängigkeit vor 20 Jahren erreichten Fortschritten bekannt zu machen. Wir wollen zeigen, dass wir ein Teil der europäischen Familie sind.
Welt Online: Nun gibt es in Ihrem Land Menschenrechtler, die über willkürliche Enteignungen für den Bau der "Crystal Hall" klagen. Was sagen Sie denen?
Mammadyarov: Aserbaidschan ist ein sich ungemein schnell entwickelndes Land. Wir haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Straßen, Brücken, Tunnel, Häuser gebaut – und eben auch die "Crystal Hall". Das hat mit dem ESC gar nichts zu tun.
Sehen Sie, es gibt tatsächlich viele alte und baufällige Gebäude rund um das Veranstaltungsgelände. Das Kabinett hat erst im Februar beschlossen, dass alle von den Baumaßnahmen betroffenen Bürger Umzugshilfen und Entschädigungen erhalten. Ich versichere Ihnen: Alle Eigentümerrechte werden ordnungsgemäß geschützt.
Welt Online: Human Rights Watch bescheinigt Baku "eine feindliche Umgebung" für Journalisten und Oppositionelle. Wie wollen Sie diese Bilanz verbessern?
Mammadyarov: Demokratisierung, Respekt vor den Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit sind seit der Unabhängigkeit Prioritäten unserer Politik. Wir sind Mitglied vieler internationaler Organisationen, deren Vorgaben wir erfüllen: UN, Europarat, OSZE.
Es gibt bei uns politische Parteien, auch oppositionelle. Die können frei arbeiten, viele von ihnen haben ihre eigenen Zeitungen und Internetauftritte, wo sie ihre Positionen offen darlegen, die Regierung auch kritisieren können. Niemand verbietet die freie Meinungsäußerung.
Welt Online: Warum gibt es dann politische Häftlinge? Der deutsche Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning hat verlangt, die Inhaftierten frei zu lassen.
Mammadyarov: Es gibt keine politischen Gefangenen in Aserbaidschan, niemand ist hier eingesperrt wegen seiner Ansichten. Markus Löning hat uns voriges Jahr besucht. Er hatte dabei die Möglichkeit, frei mit unseren Bürgern zu reden.
Was sind überhaupt politische Gefangene? Es gibt keine international gültige Definition dieses Begriffs, der gern als Schlagwort missbraucht wird. Noch mal: Jeder, ob Journalist oder andere Bürger, ist frei, seine Meinung zu äußern. Aber niemand steht über dem Gesetz. Das muss eingehalten werden.
Welt Online: Sind die Gesetze das Problem?
Mammadyarov: Wir haben bereits eine Serie von Reformen auf dem Gebiet der Menschenrechte hinter uns. Wir haben eine Justizreform gemacht, kämpfen gegen Korruption und Geldwäsche. Unsere Gesellschaft ist tolerant, bei uns leben verschiedene Religionen und Ethnien seit Jahrhunderten in Frieden miteinander. Aber natürlich, wir müssen und werden diese Reformen fortsetzen. Ich sage ganz klar: Unser Ziel ist es, das nach internationalen Maßstäben höchste Schutzniveau für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu erreichen.
Welt Online: Einige Bürger planen parallel zum ESC einen Wettbewerb "Singen für die Demokratie". Wird das erlaubt?
Mammadyarov: Ehrlich gesagt sehe ich keinen zusätzlichen Wert dieser Initiative. Der ESC ist vor allem eine kulturelle Veranstaltung, keine politische. Aber entsprechend dem Recht auf die freie Rede gibt es bei uns auch das Recht auf freien Gesang. Also: Wenn jemand singen will, soll er singen. Das ist der Geist der Eurovision!
Welt Online: Ihr Nachbarland Armenien hat die Teilnahme am ESC abgesagt. Fürchten Sie eine Eskalation des Konflikts um die Enklave Berg-Karabach?
Mammadyarov: Der ESC sollte nicht politisch instrumentalisiert werden, schon gar nicht in diesem Konflikt. Die Region Nagorny-Karabach ist Teil unseres Staatsgebietes und seit 20 Jahren von Armenien besetzt – trotz aller Resolutionen der Vereinten Nationen, die zu einem Abzug der armenischen Militärs aufrufen.
Obwohl bisher alle Verhandlungen gescheitert sind, sind wir weiter zu Gesprächen bereit, um den Konflikt friedlich zu lösen. Der Status Quo ist inakzeptabel. Ich hoffe, die armenische Führung wird die politische Weisheit haben, endlich gemeinsam eine Lösung zu finden.
Welt Online: Der deutsche Außenminister kommt zu Ihnen nach Baku. Was werden Sie mit Guido Westerwelle besprechen?
Mammadyarov: Eine ganze Bandbreite von Themen. Wir sind daran interessiert, unsere Partnerschaft auf eine neue Ebene zu heben. Das gilt für die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen. Wir sehen überall noch großes Potenzial.
Welt Online: Deutsche Unternehmen sind in Aserbaidschan in der Gasförderung engagiert, auch um die geplante Nabucco-Pipeline zu versorgen. Fürchten Sie Ärger mit Russland als Ihrem Konkurrenten in der europäischen Gasversorgung?
Mammadyarov: Russland ist nicht unser Rivale. Die Russen sind schon seit 40 Jahren im Energiegeschäft tätig und haben einen großen Vorsprung. Wir wollen lediglich einen fairen Zugang zu einem Teil dieses Marktes. Nein, wir hatten und werden gute Beziehungen zu Russland haben, auch unter dem neuen Präsidenten Wladimir Putin.
Welt Online: Russland verfolgt das autokratische Modell einer gelenkten Demokratie. Ist das ein Vorbild für Sie?
Mammadyarov: Ich kann das politische Modell eines anderen Landes nicht kommentieren. Ich kann nur sagen: Wir sind daran interessiert, unsere Beziehungen zur EU zu stärken und zu vertiefen. Die europäischen Werte wie Transparenz, Toleranz, Marktwirtschaft und Bürgergesellschaft sind von großer Bedeutung für uns. Aserbaidschan ist Teil Europas, und wir sind überzeugt, dass nur echte Demokratie auf Dauer politische Stabilität und Sicherheit garantiert.
Welt Online: Streben Sie eines Tages die Mitgliedschaft in der EU an?
Mammadyarov: Bis es einmal so weit ist, müssen beide Seiten noch viel lernen. Wir sind offen für einen Dialog und möchten unsere Energiepartnerschaft auf andere Ebenen der Zusammenarbeit ausweiten. Wir werden sehen, was Europa uns diesbezüglich anbietet.
Welt Online: Aserbaidschan ist Mitglied des UN-Sicherheitsrates. Was halten Sie vom Atomprogramm ihres Nachbarn Iran ?
Mammadyarov: Jedes Land hat das Recht auf eine friedliche Nutzung der Atomenergie – unter Überwachung der internationalen Atomenergiebehörde. Die Nutzung dieser Energie muss in Übereinstimmung mit den Regeln des Völkerrechts erfolgen.
Source: Die Welt
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